Die verklärt romantischen Sissi-Filme mit Romy Schneider, die alljährlich zu Weihnachten laufen, haben wir vermutlich alle schon gesehen. Mich haben sie tatsächlich durch meine Kindheit begleitet. Aber seien wir ehrlich, mit der echten Sisi hat diese Film-Sissi nicht viel gemein. Alles ist einfach zu perfekt, zu schön und viel zu romantisch um wahr zu sein. Der Film Sisi & Ich von Frauke Finsterwalder zeigt da ein ganz anderes Bild. Eine ältere Sisi. Auf historische Korrektheit legt der Film dabei keinen großen Wert. Dafür zeigt er die Kaiserin von einer anderen, wenig romantischen Seite. Die Hauptrolle spielt dabei außerdem gar nicht Sisi selbst, sondern eine Hofdame, die Gräfin Irma von Sztáray. Irma von Sztáray war übrigens tatsächlich eine Hofdame der Kaiserin. Von ihr stammt auch die Schilderung des Attentats am 10. September 1898, bei dem die Kaiserin ums Leben kam. Kommen wir aber zurück zum Film.
Sisi & Ich
Gräfin Irma von Sztáray (Sandra Hüller) ist – sehr zum Leidwesen ihrer herrischen Mutter – unverheiratet und kinderlos. Schließlich wird Sie an den kaiserlichen Hof berufen und als neue Hofdame für Kaiserin Elisabeth alias Sisi (Susanne Wolff) ausgewählt, die zu dieser Zeit auf Korfu weilt. Zuvor jedoch muss die Gräfin vor Dienstantritt allerlei Schikanen und Herabwürdigungen über sich ergehen lassen. So wird sie nach einer anstrengenden Überfahrt genötigt, zahlreiche sportliche Herausforderungen zu bewältigen und ihre körperliche Leistungsfähigkeit unter Beweis zu stellen. Sisi war schließlich auch im echten Leben bekannt für ihre kilometerlangen Wanderungen im Laufschritt. Ihre Hofdamen konnten da oftmals nicht Schritt halten.
Von ausgewogener Ernährung kann in Kaiserin Sisis Gegenwart auch keine Rede sein. Diättropfen und Brühe stehen auf dem Speiseplan. Kein Gramm Fett darf an den nahezu ausschließlich weiblichen Untergebenen dran sein. „Ich überlege mir genau, wem ich erlaube, bei mir zu leben. Jedenfalls keine dicken Menschen und keine Männer.“, sagt Sisi Gräfin Irma gleich beim Kennenlernen. Nichtsdestotrotz kommen sich Sisi und Irma näher und entwickeln ein Vertrauensverhältnis. Sie unternehmen abenteuerliche Reisen und probieren Drogen. Zurück in der Heimat jedoch ändert sich das Verhältnis der beiden. Die Leichtigkeit und Freiheiten des Sommers auf Korfu sind vorbei. Am Wiener Hof herrscht eine strenge Etikette. Elisabeth wird noch launischer und unberechenbarer als zuvor. Egal wie sehr sich Irma und Sisi versuchen zu wehren und aufzulehnen, es hilft nichts. Am Ende müssen sie sich ihrem Schicksal hingeben…
Ein moderner Historienfilm
Sisi & Ich zeigt eine andere, reife und rastlose Sisi. Noch immer attraktiv, aber eben nicht mehr jugendlich. Mit den historischen Fakten geht Frauke Finsterwalder sehr frei um. Dennoch zeigt dieser Film, vielleicht sogar besser als andere Filme, das launische Gemüt der Kaiserin. Hier wird nichts romantisiert oder verklärt. Zwischendurch küsst Sisi eine ihrer Untergebenen. Sisi & Ich führt schonungslos das toxische Verhältnis und Machtgefälle zwischen Kaiserin und Hofdame vor Augen. Es werden Essstörungen und Drogenmissbrauch thematisiert. Männer spielen dabei übrigens kaum eine Rolle. Selbst Kaiser Franz Josef hat nur einen kurzen Auftritt.
Die Kostüme sind großartig – jedoch alles andere als historisch korrekt. Keine Spur von Kitsch oder Romantik. Die Klamotten passen vielmehr zu modernen und rebellischen Frauen, die viel auf Reisen sind und sich bewegen möchten. So spiegeln sie aber, wie ich finde, genau die Seele des Filmes wider. Historische Fakten frei und modern interpretiert, so dass die Themen des Films noch immer von größter Relevanz sind.
Sisi & Ich: Ab 30.03.2023 im Kino
Sisi & Ich läuft ab 30.03.2023 in den Kinos. Wer Wert auf historische Korrektheit und authentische Kostüme legt, wird hier nicht bedient. Wer jedoch gerne auch einen etwas ungehobelten Blick auf die Kaiserin werfen möchte und Neuinterpretationen mag, sollte den Film keinesfalls verpassen. Sisi & Ich beleuchtet die letzten Jahre der Kaiserin und zerstört den Sissi-Mythos. Ich mag, dass der Film so erfrischend anders ist und nicht die 100. gleiche, liebreizende, jugendliche Sisi zeigt.